LVR-Amt für Denkmalpflege
im Rheinland
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Marienwallfahrtsdom in Velbert-Neviges

Denkmalpflege im Rheinland

Inventarisation - Projekt Moderne Kirchen

Moderner Kirchenbau - zu einem aktuellen Thema

Keine andere Region weltweit weist so viele (etwa 1200), zugleich so qualitätvolle moderne Kirchenbauten auf wie das Rheinland. Wegweisende Architekten wie Otto Bartning, Gottfried Böhm oder Rudolf Schwarz hinterließen hier Sakralbauwerke von internationalem Rang. Die vielbeachtete Kirche St. Fronleichnam in Aachen (1930) oder der Marienwallfahrtsdom in Velbert-Neviges (1964-68) seien hier stellvertretend genannt. Neben ihnen gibt es einen noch kaum erahnten Reichtum an Gotteshäusern unterschiedlichster Gestalt.

Für dieses umfangreiche Erbe beginnt nun ein neues Zeitalter. Einerseits werden viele Kirchen aufgegeben, andererseits gerät die Nachkriegsarchitektur in den Fokus der Denkmalpflege. Nicht wenige moderne Kirchen stehen bereits unter Denkmalschutz und für viele andere ist die Frage nach dem Denkmalwert derzeit zu beantworten.

Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland reagiert auf vielfältige Weise auf diese Herausforderung, zumal die Architektur der Nachkriegszeit im Rheinland ohnehin eine bedeutende Rolle spielt.

Seit mehreren Jahren werden gemeinsam mit der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen in einem vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen – der Obersten Denkmalbehörde – initiierten Projekt ("Erkennen und Bewahren") alle nach 1945 in NRW errichteten Kirchen erfasst. Anschließend werden die denkmalwerten Gotteshäuser bestimmt, um Unterschutzstellungsverfahren einzuleiten.

Angesichts des kirchlichen Strukturwandels ist das nicht immer unproblematisch und erfordert umfassende Kommunikation. Daher wurde das Material zu den bisher erfassten Kirchen den Bistümern und der Evangelischen Landeskirche im Rheinland übergeben. Auf diese Weise soll einerseits eine gemeinsame Grundlage geschaffen werden für einen fachlichen Austausch über den Denkmalwert der Kirchen. Zum anderen soll die Übergabe des Erfassungsmaterials auch dazu dienen, die Arbeit des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland gegenüber den Kirchen möglichst transparent zu gestalten.

In diesem Sinne hat das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zuletzt im Juli und August 2014 den Bistümern Essen und Münster das Material über die Kirchen in ihren Gebieten überreicht. Im rheinischen Teil des Bistums Essen wurden 60 Kirchen mitsamt ihrer Ausstattung erfasst, im Bistum Münster etwa 30. Auch die Arbeitsergebnisse zu den etwa 340 erfassten evangelischen Kirchen wurden der Evangelischen Landeskirche im Rheinland übergeben. Bereits 2011 waren dem Bistum Aachen die Unterlagen über 150 Kirchenbauten überlassen worden.


Denkmalwerte Kirchen

Velbert, Katholische Kirche St. Paulus

Architekt: Gottfried Böhm, 1955

Gottfried Böhm aus Köln gehört zu den bedeutendsten Kirchenbaumeistern des 20. Jahrhunderts. Seine "Architekturskulpturen" erlangten internationale Berühmtheit, vor allem der Marienwallfahrtsdom in Velbert-Neviges. Das Frühwerk des Architekten ist dagegen viel weniger bekannt. Ein herausragendes Beispiel ist die Kirche St. Paulus.

Der Baukörper der Kirche erhielt in dem von den Restriktionen der Zeit des Nationalsozialismus befreiten, experimentellen Geist der 1950er Jahre eine kühne Form: Das zur Eingangsfront hoch aufschwingende Kirchenschiff mit flachem Dach durchstößt im Chorbereich eine quergestellte Halbtonne. Deren Seitenflächen sind verglast, so dass indirektes Licht in den Altarraum fällt. Im Inneren liegt die Decke auf längs durch den Kirchenraum gespannten Stahlseilen. Kein geringerer als Frei Otto - geistiger Vater des Zeltdaches des Münchner Olympiastadions - lobte Gottfried Böhm für diese Konstruktion.

Dieser Kirchenbau entstand im Geist der Liturgischen Bewegung der 1920er Jahre, deren Forderungen nach engerer Einbeziehung der Gemeinde in die Eucharistiefeier im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) verpflichtend für den Ritus der katholischen Kirche werden sollte. Gottfried Böhm griff dem vor, indem er den Altar schon 1955 dicht an die Gemeinde heranrückte.

Die Kirche St. Paulus wurde am 28.4.2003 in die Denkmalliste der Stadt Velbert eingetragen.

Literatur: Godehard Hoffmann, Die katholische Kirche St. Paulus in Velbert. Ein Frühwerk von Gottfried Böhm. In: Denkmalpflege im Rheinland Jahrgang 22, Heft 2, 2005, Seite 75-80

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Oberhausen, Katholische Kirche Heilige Familie

Architekten: Rudolf Schwarz, Josef Bernard, 1956-1958

Die Kirche Heilige Familie besteht aus einem quadratischen Kirchenraum, dem eine niedrigere Werktagskirche vorgelagert ist. Ein von Mauern umgebener Vorhof schirmt sie zur Straße hin ab. Die Außenwände bestehen unten aus Backsteinen, darüber wird der Innenraum durch farbig verglaste Betonformsteine belichtet (Buschulte). Es gibt keinen Glockenturm, die kompakte Anlage hebt sich dennoch von der umgebenden Bebauung durch ihre Geschlossenheit ab.

Liturgiegeschichtlich bedeutsam ist die zentrale Anordnung des Altares auf einem ebenfalls quadratischen Podest. Dieses ist von vier Stützen umgeben, welche die sichtbare Deckenkonstruktion tragen. Auf Nebenaltäre wurde verzichtet.

In Schwarz' Werk nimmt die Kirche Heilige Familie eine Sonderstellung ein, ist sie doch sein einziger Zentralbau. Der Hauptraum ist von innen her konzipiert, die diaphanen Wände bilden nur die schützende Hülle. Die Anlage als Ganzes folgt dem Gedanken der liturgischen Bewegung und deren Orientierung an frühchristlichen Vorbildern, vor allem die Staffelung des Zuganges über einen Innenhof.

Der Denkmalwert der Kirche Heilige Familie wurde 2005 durch das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland festgestellt, sie ist aber noch nicht in die Denkmalliste der Stadt Oberhausen eingetragen.

Literatur: Claudia Sohst, Die Kirche Heilige Familie in Oberhausen – ein Werk der Architekten Rudolf Schwarz und Josef Bernard. In: Denkmalpflege im Rheinland, Jahrgang 23, Heft 2, 2006, Seite 77-83

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Emmerich-Leegmeer, Katholische Kirche Heilig Geist

Architekt: Dieter Georg Baumewerd, 1962-1966

Dieter Georg Baumewerd hatte bei Rudolf Schwarz gelernt, dem Wegbereiter der Moderne im Kirchenbau (St. Fronleichnam in Aachen, 1930). Aber von der geometrischen Klarheit dessen Entwürfe findet sich in Emmerich nichts, hier erscheinen die Formen vielmehr floral und überbordend. Im Sinne der Architekturmoderne sind alle Anklänge an historische Formen getilgt, aus dem Expressionismus ist die ausdruckstarke Architektursprache entliehen, und Aspekte des Brutalismus spielen hinsichtlich der Materialwahl – Sichtbeton – eine Rolle. Formenreichtum war für den Kirchenbau der 1960er Jahre charakteristisch, doch dieses Beispiel sprengte alle Stilbegriffe.

Über einem aus Dreiecken konstruierten, vielteiligen Grundriss errichtete Baumewerd unterschiedlich hohe Pilzdächer. Die Wandflächen zwischen den Stützen sind von Fensterbändern umrahmt. So entsteht ein umschlossener Raum, der zugleich optisch zur Umgebung geöffnet ist. Der Innenraum ist auf den Altarbereich ausgerichtet, in dem zwei Mensen stehen: Wortaltar und Opferaltar. Sie sind von Waldemar Kuhn entworfen, ebenso wie das dahinter aufgestellte, 7 Meter hohe und 9 Meter breite "Schrottkreuz". Die Wände hat Fred Thieler abstrakt und farbkräftig vorzugsweise in Blau bemalt.

Die Kirche Heilig Geist wurde am 25. Januar 1996 in die Denkmalliste der Stadt Emmerich eingetragen.

Literatur: Godehard Hoffmann, Emmerich - Kath. Pfarrkirche Heilig-Geist, Leegmeer. In: Nordrhein-Westfalen. 60 Jahre Architektur und Ingenieurkunst, herausgegeben vom Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW, Essen 2006, Seite 126 folgende.

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Ansprechpersonen

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Dr. Oliver Meys
(Projekt "Erkennen und Bewahren")
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